WIE FINDEN UNTERNEHMEN IHREN WEG IN DIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ?
DIE ZUKUNFT DER KI IM DIGITALEN BUSINESS
DON’T BELIEVE THE HYPE?
Fachjournale, Soziale Medien, Award-Bücher oder Talk Show: Alles scheint sich 2023 und 2024 irgendwie um Künstliche Intelligenz — genauer gesagt um ihre neueste Entwicklungsstufe der Generativen Künstlichen Intelligenz oder kurz GenAI — zu drehen. Dabei haben wir noch gar nicht recht die märchenhaften Versprechungen des Metaverse oder der Blockchain-Technologie verdaut. Alles sollte doch sehr schnell anders werden — aber passiert ist, gemessen an der Euphorie der Evangelisten, wenig. Denn wie das bekannte Bonmot so schön sagt, Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Ist die Generative AI also wieder so ein »Ankündigungsriese«, mithin ein Phänomen, das mehr den kommerziellen Interessen von Zukunftsberatern, Fachjournalisten und Trendforschern dient als der Industrie?
Nein, diesmal ist es anders, denn die realen Veränderungen sind schon wenige Monate nach dem Release von ChatGPT und der weltweiten Verfügbarkeit von vielen weiteren Tools, die GenAI nutzen wie Dall-E, Github Copilot oder Midjourney, deutlich sichtbar. Kampagnenmotive, die von Dall-E oder Midjourney erstellt wurden, sind ebenso verbreitet wie toolgenerierter Software-Code oder SEO-Texte.
Erst kürzlich sprach ich mit einem Professor für Digitalisierung, der ein neues Drittmittelprojekt gewonnen hat. Er soll ein Buch über das Service- und Produktportfolio eines Unternehmens schreiben. Schon die Gliederung für die Ausschreibung hat er mit ChatGPT generiert und er gedenkt, das ganze Buch durch KI schreiben zu lassen. Natürlich hat er weiterhin die Aufgabe, kluge Anweisungen, sogenannte Prompts, zu formulieren und ebenso im Lektorat darauf zu achten, dass die Fakten wirklich stimmen und die KI nicht ins Fabulieren gekommen ist, denn das kann passieren, wenn zu wenig Randinformationen mitgegeben werden. Aber prinzipiell glaubt er, dass er in der Zeit, die er früher brauchte, um ein Buch zu schreiben, jetzt zwei in vergleichbarer Qualität generieren lassen kann.
Etliche Unternehmen haben ebenfalls begonnen, sich einen Weg in das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz zu bahnen, aber noch viel mehr sind noch immer wie paralysiert und fragen sich, wie sie sich dem Thema nähern sollen. Eins steht aber schon heute fest: Am Ende werden alle Unternehmen eine KI-Strategie verfolgen müssen, ob sie wollen oder nicht. Es bleibt nur noch zu entscheiden, ob sie den Stier bei den Hörnern packen und versuchen, sich bzw. die Unternehmensprozesse und die Tool-Landschaft aktiv selbst zu transformieren oder ob sie auf Wettbewerber warten möchten, die sie später aus dem Markt heraus transformieren.
WELCHE INDUSTRIE UND WELCHE JOBS BETRIFFT GENAI BESONDERS?
Obgleich GenAI das Potenzial hat, alle Unternehmen mit den verschiedensten Geschäftsmodellen zu verändern, so ist doch klar, dass bestimmte Industrien und Bereiche mehr betroffen sein werden. Anders als bei den vorangegangenen Automations- und digitalen Transformationsprozessen stehen diesmal nicht die durch Handarbeit geprägten Tätigkeiten, die wenig Spezialwissen erfordern, im Fokus. Diese KI-Rationalisierungswelle betrifft die akademischen, wissensbasierten Berufe.
Es soll an dieser Stelle nicht darum gehen zu erklären, was die technischen Grundlagen für diesen Technologiesprung sind. Zum Verständnis der Zusammenhänge reicht es völlig aus, zu verstehen, dass durch Eingaben in natürlicher Sprache, den sogenannten Prompts, Bilder, Videos, Audio, Software-Codes und jede Art von Texten erstellt werden können. Anders gesagt, man kann eine Menge Dinge tun, die man vorher auch schon konnte — aber viel effizienter und schneller und ohne dafür die bisher notwendigen Fachberufe von der Pike auf gelernt haben zu müssen und in allen Details selbst zu beherrschen. Es reicht aus, die Tools bedienen und in normaler Sprache formulieren zu können, was man sucht oder braucht. Das ist im Detail dann doch etwas weniger banal, als es sich zunächst anhört. Und so entstehen neue Berufsbilder bzw. berufliche Spezialisierungen, z. B. der Prompt-Engineer, um das Potenzial der GenAI zu heben und für Unternehmen nutzbar zu machen.
Die Möglichkeiten der GenAI spielen im produzierenden Gewerbe eine geringere Rolle als im Kundenservice, Marketing, Vertrieb, Softwareentwicklung sowie Forschung und Entwicklung. Das McKinsey Global Institute schätzt, dass in letzteren Bereichen sogar 75 Prozent der insgesamt möglichen Produktivitätssteigerungen durch GenAI zu erwarten sind. Und dieses Potenzial ist mehr als beachtlich. In absoluten Zahlen schätzt das Institut den theoretisch erreichbaren Produktivitätszuwachs auf 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar pro Jahr, was dem Bruttoinlandsprodukt des Vereinigten Königreichs von 2021 entspricht.
Das ist in einer Zeit, in der Wissensarbeiter dringend gesucht und aufgrund der Demografie auch auf lange Sicht eine Mangelressource darstellen werden, eine gute Nachricht. Denn die Produktivitätssteigerung geht in Deutschland in den letzten Jahren tendenziell zurück, und eine Technologie, die dort den Hebel ansetzt, kommt daher wie gerufen.
WIE FINDEN UNTERNEHMEN IHREN SPEZIFISCHEN WEG ZUR KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ?
Viele Wege führen nach Rom und es gibt sicher mehr als einen Weg, die Produktivitätssteigerungen durch GenAI nutzbar zu machen. Laut einer Studie des BITKOM vom September 2023 setzen aktuell nur zwei Prozent der deutschen Unternehmen KI ein, hingegen planen aber 13 Prozent, KI in Zukunft einzusetzen. Gleichzeitig ist ein großer Bewusstseinswandel seit ChatGPT zu erkennen. Rund 25 Prozent haben laut BITKOM kein konkretes Projekt in der Pipeline, wünschen sich dies aber für die nahe Zukunft. Nur noch rund ein Viertel der befragten Unternehmen können sich den Einsatz von KI gar nicht vorstellen.
Die Einstellung wird also zunehmend positiver und offener in deutschen Unternehmen, wenn es um KI geht. Aber welche Schritte können sie konkret gehen, um eigene Projekte zu starten? Bei denkwerk haben wir eine Methode entwickelt, die wir aus unserer Erfahrung abgeleitet haben, die wir in der Begleitung von Kunden in der digitalen Transformation in den vergangenen 25 Jahren gemacht haben. Wir nennen unser Modell »KI-Thinking-Framework«. Es beinhaltet die ganze Journey vom Einstieg in das Thema bis zum Rollout eigener, maßgeschneiderter KI-Lösungen. Dieses Vorgehen beruht auf interdisziplinärem Arbeiten und auf Kundenzentrierung. Wir bringen die Fachseite, IT und Design zusammen, um gemeinsam Projektkandidaten zu kreieren, die in kurzer Zeit prototypisch verprobt werden, um dann als Minimal Viable Product (MVP) ausgerollt zu werden. Das alles geschieht gemessen an traditionellen KI-Projekten, z. B. auf Grundlage von Machine Learning, sehr schnell. Denn wir müssen nicht eigens KI-Algorithmen programmieren, große Datenmengen aufbereiten und dann verarbeiten. Das alles nehmen uns weitgehend die GenAI-Tools ab, die alle auch Schnittstellen für eigene Softwareentwicklung anbieten und dadurch auf die konkreten Bedürfnisse im Unternehmen maßgeschneidert werden können.
Die Projektkandidaten definieren wir gemeinsam mit unseren Kunden in einem Co-Creation-Verfahren in wenigen Tagen und verproben sie ebenso schnell. Das erste marktfähige Produkt oder den ersten Service generieren wir in sechs bis acht Wochen. Daran wird deutlich, wie klein die Einstiegshürden sind und wie schnell und preiswert Produktivitätszuwächse mit dem KI-Thinking-Framework erreichbar sind. Wer mehr zu diesem Framework erfahren will oder sich inspirieren lassen möchte, findet dazu Hilfestellungen im denkwerk-Blog.
Autor: Marco Zingler, aus: Annual Multimedia 2024, ISBN 978-3-96186-073-9, metropolitan im Walhalla Fachverlag, November 2023